Spontanität – spielend erlernt 1


Gartentheater

Ursprünglich war es pure Neugierde und die Freude am spielerischen Ausdruck, die mich  dazu bewogen hat, an einem wöchentlichen Improtheater Kurs teilzunehmen. Schon nach dem zweiten Mal war mir jedoch klar, daß ich mir hier bei allem Spaß und netten Mitspielern ein Lernfeld der anderen Art ermöglicht habe. Und zwar eines, was es ganz schön in sich hat!

Worum geht es beim Improtheater:
Auf der Startseite der Steifen Brise heißt es so schön: „Improtheater ist… charmant provokant – fabelhaft lebhaft – amüsant riskant. Ein Feuerwerk aus Kreativität, Spielfreude und Schnelligkeit – vital, spontan und enthusiastisch. …“Das hört sich doch echt toll an. Das möchte ich auch können! Da war mir allerdings noch nicht klar, wie schnell ich auf diese spielerische Art und Weise vor den verschlossenen Türen meiner Begrenzungen landen würde.

Hätte ich vorher mal das Zitat aus Wikipedia gelesen, hätte ich es mir denken können: Damals gilt, was heute gilt: Bin ich inspiriert, geht alles gut, doch versuche ich es richtig zu machen, gibt es ein Desaster.“ (Keith Johnstone 1993, S. 36).

Ein wunderbares Übungsfeld – gerade für den anspruchsvollen, kritisch bewertenden Teil in mir, der alle Dinge möglichst besonders und natürlich auch besonders gut machen möchte.

Konkret sieht das z.B. so aus:
Die Übung nennt sich „Freeze Tec“. Wir stehen am Rande der Bühne, in der 2 Spieler miteinander eine erfundene Szene spielen. Auf ein Zeichen hin frieren Sie in ihrer Bewegung rein. Die Aufgabe lautet: wer von uns Außenstehenden den Impuls spürt, geht in die Szene rein, schickt einen der beiden Spieler raus und nimmt seine Körperhaltung ein. Aus dieser Haltung eröffnet er dann mit seinem Gegenüber eine neue Szene in  völlig neuem Zusammenhang.Und los gehts!

Ich stehe am Rand der Bühne, beobachte die Szene und beim Zeichen fürs Einfrieren rattert es blitzartig, fast panisch in meinen Kopf. Was könnte ich jetzt daraus inszenieren?!?!
Peng – Schluß, Aus, zu spät – das Spiel geht längst weiter.
Ich stehe wie erstarrt am Bühnenrand, fast wie vernebelt. Von Spontanität und Impuls nicht die geringste Spur. Es geht weiter. Und wieder – Freeze! – alles wird eingefroren – der nächste geht auf die Bühne. Und dann der nächste. Und noch einer. Wieder und wieder stehe ich – starr und bewegungslos am Rand. Ich weiß nicht mehr, wie viele Male ich dieses „durchlitten“ habe, bis ich vom Trainer endlich ein eingreifendes und erlösendes „Stop! So funktioniert das nicht!“ höre. Ganz offensichtlich war ich nicht die einzige mit Ladehemmung.
„Es geht nicht darum, daß ihr schon eine Idee habt, bevor ihr in die Szene reingeht. Ganz im Gegenteil.  So kommt ihr nie ins Spiel! Fühlt Euch in die Körperhaltung ein, vertraut darauf, daß ein Impuls kommt und erst dann agiert ihr. Es ist alles schon da, vertraut Euch! Ihr müßt nichts extra machen, außer Euch ganz zu zeigen und vor allem Euren inneren Bewerter wegzuschicken.“

6 Lernfelder des Improtheaters
Wow – was für ein geniales Übungsfeld! Das hat mich auch zu diesem Artikel inspiriert.
Folgende Spieltipps ermöglichen im Improtheater  ein flüssiges Spiel. Doch nicht nur das – ich bin vollkommen begeistert, daß es auch genau die Lernfelder sind, die uns im täglichen Miteinander mehr Authentizität und Leichtigkeit im Kontakt ermöglichen:

– den inneren Bewerter mal wegschicken
– sich in den Körper einfühlen
– Achtsamkeit für den natürlichen Impuls entwickeln und diesem folgen
– mit dem arbeiten, was da ist und was vom Spielpartner angeboten wird
– nichts „extra“ machen – extra originell, extra ausdrucksstark oder sonstwelche extras – es darf „ganz normal“ sein
– in Verbindung zu meinem Mitspieler bleiben, den Kontakt halten und dem, was aus diesem Miteinander entsteht, folgen

Es gibt noch weitere Tipps, die das Spiel flüssig halten – dazu später gern mal mehr. Diese sind mir jedoch gerade am Wichtigsten.

Üben, üben, üben …
Was mich so fasziniert ist, daß ich im Improtheater auf spielerische Weise den Übungsraum habe, um neue Verhaltensweisen mit viel Begeisterung und Leichtigkeit zu trainieren. Klar – eine gewisse Portion Mut brauche ich bei allem Spaß natürlich auch. Schließlich geht es darum, meine eingefahrenen und auch sicher oft bewährten Muster loszulassen und mich auf etwas völlig Neues einzulassen. Das kann schon ganz schön Angst wecken – selbst wenn mir die Theorie schon lange sonnenklar ist. Das Geniale beim Improtheater ist jedoch – es geht hier nicht ums Verstehen. Das wäre ja einfach. Es geht ums konkrete Umsetzen und Tun!  Neurowissenschaftler lehren uns, daß wir  konsequente Wiederholungen brauchen, um neue Verknüpfungen in unserem Gehirn bilden zu können. Nur eine solche Kontinuität ermöglicht uns neue Verhaltensweisen wirksam zu festigen.

Da ist Improtheater eine fröhliche Schule. Ich auf jeden Fall bin wild entschlossen, mich mit viel Freude, Spaß und einer Portion Mut – die gehört nämlich definitiv dazu – in die kommenden Szenen zu werfen und neue Verknüpfungen in meinem Gehirn zu bauen 🙂 Vielleicht hat ja noch jemand Lust bekommen …

Foto: Katrin Sykora/Piqs


Ein Gedanke zu “Spontanität – spielend erlernt

  • Pingback: Das Sesam-Öffne-Dich zur Spontanität | Bewegen -Bewegen -

Kommentare sind geschlossen.